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Patrozinium „St. Franziskus und St. Klara“ der neuen Pfarrei Untermosel-Hunsrück

Franz Klara

Am 11. August feiern wir das Fest der heiligen Klara von Assisi (1193/94 - 1253). Klara, tiefreligiös und mit guter Bildung, entstammte einer wohlhabenden Adelsfamilie aus Assisi und war damit 11 Jahre jünger als der Kaufmannssohn Franz von Assisi (1181/1182 - 1226), dem ehemals neureichen Modefachmann, dessen Todestag wir am 03. Oktober gedenken. Viele Menschen waren seinerzeit fasziniert von den feurigen Predigten des Franz von Assisi, die er im Dom von San Rufino hielt und sind es noch heute. Auch für die junge Klara war die Begegnung mit Franziskus der Wendepunkt ihres bisher vorbestimmten Lebens. Beide waren entschlossen, alles weltliche Streben aufzugeben, um arm dem armen Christus nachzufolgen.

Der Pfarreienrat und die Vertreter des Kirchengemeindeverbandes der Pfarreiengemeinschaft Untermosel-Hunsrück haben sich im Zuge des Anhörungsverfahrens zur anstehenden Fusion in verschiedenen Beratungsphasen für diese beiden Heiligen des späten Mittelalters als Doppel-Patrozinium der neuen „Pfarrei St. Franziskus und St. Klara Untermosel-Hunsrück“ ausgesprochen.

Bisher tragen nur die Pfarreien Heide-Westrich (Nahe), Pfarrei Obere Saar und Soonwald-Gräfenbachtal das Patrozinium des Franz von Assisi, aber keine Pfarrei gemeinsam mit dem der heiligen Klara. Hierzu sei angemerkt, dass alle Kirchen in den Pfarrbezirken ihre Patrone behalten und es sich hier nur um das Patrozinium der neuen Pfarrei handelt.

Mit Schreiben vom 14. Juli hat das Bischöfliche Generalvikariat nach Anhörung des Priesterrates sowie der Räte und Gremien mitgeteilt, dass Bischof Dr. Stephan Ackermann zum 01. Januar 2024 per Dekret die neue Pfarrei und Kirchengemeinde mit dem neuen Patrozinium errichten wird.

 

Wie kam es zur Wahl eines Doppel-Patroziniums für die neue Pfarrei Untermosel-Hunsrück, worin liegt die Motivation?

Vor dem Kreuz in der Ruine der Kapelle San Damiano unweit der Stadt Assisi erfährt der junge Franziskus seine Lebensberufung und bindet sich in besonderer Weise im Gebet an Gott. Er betritt die Kirche und beginnt vor dem Bild des Gekreuzigten zu beten, das ihn liebevoll und gütig ansprach, indem es sagte:

„Franziskus, geh hin und stelle mein Haus wieder her,

das, wie du siehst, schon ganz verfallen ist.“

Franziskus macht sich ans Werk und wird noch zwei weitere Kapellen eigenhändig renovieren. Im Jahr 1213 wird die heilige Klara zusammen mit ihren „Armen Frauen von San Damiano“ dort ihre erste dauerhafte Unterkunft finden.

Von außen gesehen und aus der Distanz sieht die Institution „Kirche“ heute so aus wie seinerzeit jenes verfallene Gebäude am Rande von Assisi, aber auch vielleicht wie das der einen oder anderen Kirche oder Kirchengemeinde unserer Zeit. Die Farbe des Evangeliums ist verblasst. Papst Franziskus spricht in seinem weltweit geachteten apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ von einer „verbeulten Kirche“ und von der Gefahr der Verschlossenheit und Bequemlichkeit der Institution Kirche, die sich an die eigenen Sicherheiten klammert und daran krank wird.

Die aktuelle Diskussion beherrschen die Themen sexueller Missbrauch, Machtmissbrauch und Klerikalismus innerhalb der katholischen Kirche, Streit um Weiheämter für Frauen und verheiratete Laien, synodaler Weg in Deutschland und die Weltsynode 2021-2024 mit dem Thema „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“. Sie schließt in unserem Fall mit den vier Perspektivwechseln der Bistumssynode „Heraus gerufen“ im Bistum Trier ab.

Der Anruf Gottes „… stelle mein Haus wieder her …“ und die franziskanisch-klarianische Spiritualität der beiden Heiligen aus Assisi passen so wie seinerzeit in die aktuelle Diskussion in der Kirche und über die Kirche. Von daher ist es faxt schon verwunderlich, dass sich dieser Zusammenhang - weder im Synodenprozess im Bistum Trier noch in den anderen fusionierten Pfarreien - bisher so wenig erschlossen hat?

Die Spiritualität des Heiligen Franz und der Heiligen Klara von Assisi steht in enger Beziehung zu den vier Perspektivwechsel der Bistumssynode:

1. Vom Einzelnen her denken - eine fragende, sich interessierende, sich solidarisierende und eine den Menschen zugewandte Kirche:

  • Franziskus und seine Brüder haben sich um Aussätzige, aus der Gesellschaft verstoßene Menschen gekümmert und sie als ihre Mitmenschen wahrgenommen. Mit dem Sonnengesang verschreibt sich Franziskus ganz der Bewahrung der Schöpfung und einer ihm eigenen Schöpfungsspiritualität in gemeinsamer Verantwortung für die Menschen und „belebten“ und „unbelebten“ Dinge, wie sie auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“ benennt.
  • Klara und ihre Schwestern haben sich das Armutsprivileg vom Papst erstritten, um ganz in der Minimierung von Besitz und zur Maximierung von Freiheit zu gelangen, in der sie ganz ohne äußere Verpflichtungen in der Fürsorge für ihre Mitmenschen leben können. Klara nennt es: „Sicher, freudig und leichtfüßig, aber auch achtsam geh voran auf dem Trampelpfad des Glücks“.
  • Die franziskanische Spiritualität steht für eine „arme“ Kirche, sie strebt nicht nach weltlicher Anerkennung oder kirchlichen Ämtern und tritt dem Klerikalismus entgegen Sie steht für eine missionarisch-diakonische Kirche, die an die Ränder der Gesellschaft geht und setzt sich für die Vielfalt menschlicher Beziehungen und Partnerschaften ein.

2. Charismen vor Aufgaben – die Kirche lebt davon, dass möglichst viele Christen, ob jung oder alt, Mann oder Frau ihre Gottesgaben zum Wohl anderer einbringen

  • Franz und Klara weisen in ihren Gemeinschaften keinen ab, der es ernst meint mit seiner Berufung. Für die „Weltleute“ bildet sich der 3. Orden als Gemeinschaft für Frauen und Männer, ob verheiratet oder ehelos, ob Priester oder Laie, welche bis heute die Lebensweise und die Spiritualität einer Ordensgemeinschaft auch außerhalb eines Klosters leben möchten.
  • Klara verfasst als erste Frau eine vom Papst anerkannte Ordensregel für Frauen und steht für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen in Kirche und Gesellschaft. Sie sucht einen eigenen fraulichen und eigenständigen Weg in der Nachfolge Jesu und beansprucht die legitimen Rechte der Frauen aufgrund der festen Überzeugung, dass Männer und Frauen die gleiche Würde besitzen, die die Kirche herausfordern und die nicht oberflächlich umgangen werden können. Klara und ihre Schwestern nehmen an den Freuden und Sorgen ihrer Mitmenschen Anteil und setzen ihre Arbeitskraft für deren Wohl ein.

3. Weite Räume und netzwerkartige Kooperationen und 4. das synodale Prinzip bistumsweit leben – Laien, Priester, Diakone und Ordensleute, Hauptamtliche und Ehrenamtliche sehen, hören und beraten gemeinsam in einer neuen Qualität

  • Franziskus sendet seine Brüder in alle Himmelsrichtungen und alle Nachbarländer bis nach Afrika aus, den Bedürftigen zu dienen und das Wort Gottes zu verkünden und neue Kommunitäten zu gründen. Auf seiner Pilgerreise ins Heilige Land zur Zeit des fünften Kreuzzuges steht er in Ägypten im Dialog mit Sultan Malik al-Kamil und begründet den interreligiösen Dialog mit Muslimen und Andersgläubigen.
  • Er hält im seinem jungen Orden bereits im Jahr 1221 erste synodale Versammlungen (Ordenskapitel) in der Portincula-Kapelle mit Abgesandten aus allen Ordensprovinzen in der Ebene vor Assisi ab.
  • In den franziskanischen Gemeinschaften versammeln sich Bauern, Handwerker, Kaufleute, Adlige, Kleriker; Franziskus selbst nimmt die Weihe zum Diakon fast widerwillig an • Klara führt in freiwilliger Klausur einen regen Schriftwechsel mit der Heiligen Agnes von Prag zu ihrer Vorstellung einer armen Kirche.
  • Zweimal besucht Papst Innozenz IV. zu Lebzeiten Klaras in Anerkennung ihres gesellschaftlichen und sozialen Ansehens und ihrer geistlichen Autorität San Damiano. Klara bleibt zeitlebens in kritischer Solidarität zur Kirche.
  • Innerhalb der (katholischen) Kirche stehen Franziskus und Klara für einen kritischen Dialog und unterstellen sich gleichzeitig der Autorität des Papstes und ihrer Oberen.

 

Bausteine für ein Leben nach dem Evangelium

Du bist einmalig. In dir steckt eine Idee Gottes.
Dein Leben ist die Geschichte der Begegnung mit ihm.

Du brauchst aus deinem Leben kein Programm zu machen.
Du bist wandelbar. Sieh das Jetzt und Heute.
Verändere, was du kannst.
Überlasse Gott, was nicht verändert werden kann.

Vor Gott brauchst du keine Maske aufsetzen und keine Rolle zu spielen.
eige dich, wie du bist, ursprünglich und echt.
Bringe dein ganzes Leben vor ihm zur Sprache. Alle Dinge haben ihre Sprache: die Materie, die Pflanzen, die Tiere, die Menschen.

Betrachte die Geschöpfe als Spiegelbilder Gottes.
Geh mit ihnen um wie mit Geschwistern.

Mache dich nicht abhängig von den Dingen, die du hast oder nicht hast.
Fixiere dich nicht auf Wünsche, die dich unfrei machen.

Denke und handele positiv.
Glaube an die Energien, die in dir stecken.
Glaube an die Fähigkeit aller Menschen,
zu lernen und sich auf das Gute einzulassen.
Blockiere Gottes Tun nicht durch deinen Unglauben.

Begegne im Wort Gottes dem lebendigen Christus.
Fühle dich persönlich angesprochen.

Verstehe die Bibel als das Drehbuch der Geschichte Gottes mit den Menschen.
Suche deine Rolle und bringe das Spiel deines Lebens mit ein.

Weiche dem Schmerz des Lebens nicht aus.
Dein Kreuz kann dich reifer machen und gibt dir die Chance, mitzutragen am Kreuz Christi.
Lebe solidarisch in der konkreten Kirche.

Stelle deine Fragen und benenne die Unglaubwürdigkeiten mit Namen.
Aber grenze weder dich noch andere aus.

Widersetze dich jeder Form von Gewalt.
Achte auf die kleinen Verletzungen bei dir selbst und bei anderen.
Sie sind meist der Anfang der Kette von Minderwertigkeitsgefühlen und Aggressionen.
Habe den Mut, erste Schritte zu tun,
und warte nicht, bis andere auf dich zukommen.

Schlussbetrachtung

Unter Einbeziehung der verschiedenen, an dieser Stelle nicht abschließend zu nennenden Aspekten einer franziskanisch-klarianischen Spiritualität und deren Bezug zu den vier Perspektivwechseln der Trier Bistumssynode erscheint es durchaus passend, das DoppelPatrozinium „St. Franz und St. Klara“ für die neue Pfarrei Untermosel-Hunsrück gewählt zu haben.

Es steht in enger Beziehung zu einem dringend erforderlichen Aufbruch der Institution Kirche und dem allgemeinen Priestertum aller Getauften, so wie es im zweiten vatikanischen Konzil Wille war. Die Synodenumsetzung nur von ihrer strukturellen Seite bezüglich der Fusionen und neuen Gliederung der kirchlichen Räte und Verwaltungsgremien zu betrachten, wird ihrer Zielsetzung nicht gerecht.

Das gewählte Patrozinium eröffnet die Möglichkeit, als spirituelles Fundament auf dem Weg einer neuen Gemeindebildung im Sinne der Bistumssynode zu dienen und die Gemeinden in ihrem Wirken und Handeln zu leiten. Dazu sind die Menschen in den Gremien und den Gemeinden aufgefordert, sich in gleicher Weise zu öffnen und ihr persönliches Glaubensleben auszurichten.

Dann können die Farben des Evangeliums auch in den neuen Farben unserer Zeit erstrahlen.

 

Gebet des Franziskus vor dem Kreuzbild von San Damiano

Höchster, glorreicher Gott,
erleuchte die Finsternis meines Herzens
und schenke mir rechten Glauben,
sichere Hoffnung und vollkommene Liebe.
Gib mir, Herr, das rechte Empfinden und Erkennen,
damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle.
Amen.

Johannes Weber, Kirchengemeinde St. Nikolaus Oberfell,
Oberfell, im August 2023